Montag, 16. August 2010

Arbeit?!

Hallo ihr lieben Leser,

die Tage gehen so schnell vorbei und es ist ziemlich schwer, Zeit zum Bloggen zu finden - egal, wie sehr man sich das vornimmt.

Jetzt ist bereits eine Woche vergangen seit wir angefangen haben uns die verschiedenen Projekte anzuschauen, um dann zu entscheiden, wo wir arbeiten werden.
Letzten Montag ging es los mit dem Arco Iris Hospital, wo ich aber nicht dabei war, da einer zu Hause bleiben musste, weil zu diesem Zeitpunkt unsere Haustür von außen nicht mehr aufschließbar war und wir ja schon gerne wieder ins Haus gekommen wären. Also bin ich da geblieben, weil es mir sowieso nicht so blendend ging und hab mir von den anderen erzählen lassen, nichts verpasst zu haben. Dafür saß ich schön mit Frühstück, Buch und Katze im sonnigen Garten und hab das Leben genossen :). Da Lukas krankheitsbedingt aber schon bald wieder auf der Matte stand, hab ich mich gegen Nachmittag mit einem (legalen) Taxi auf den Weg zum Casa Esperanza, dem Jungenheim, gemacht, da unsere Gruppe das als nächstes vorgestellt bekam. Wir wurden rumgeführt und die Jungs sahen leicht verschreckt aus als plötzlich ihre Zimmertüren aufgerissen wurden (nicht von uns, sondern vom Chef) und ne Gruppe 'gringos' da stand um sie anzugucken... Danach haben Evelyn und ich uns in einen Minibus gesetzt, der uns eigentlich hätte nach Hause bringen sollen. Er kam aber wohl gerade genau aus der Richtung, sodass wir eine Stunde durch halb La Paz gegurkt sind (wir haben alle nochmal Orte gesehen, wo wir bis zu dem Zeitpunkt gewesen waren). Eigentlich ist das Busfahren sehr toll und gemütlich, aber der Fahrer wollte vielleicht Feierabend und ist die meiste Zeit gerast wie blöd. Naja, wir kamen dann doch noch irgendwann an und der Spaß hat auch nur 1,5 Bolis gekostet, also 15 dt. Cent - wie meistens, wenn man keine übermäßig 'lange' (bolivianische Definition) Strecke fährt.
Abends hatte die Gruppe, die das Mädchenheim Niñas Obrajes mit Bäckerei besichtigt hatte, Nussecken und Schinken-Käse-Hörnchen mitgebracht. Ich hab mich so vollgefressen, dass mir schlecht ohne Ende war und ich gleich ins Bett gegangen bin :). Achja, glücklicherweise kam auch noch der Schlüsselmann und hat unser Schloss repariert, sodass wir am nächsten Tag alle das Haus verlassen konnten.
Dienstags gings meinem Magen sehr schlecht, was auch fast bis zum Wochenende angehalten hat. Ich schließe daraus, dass die Übelkeit nicht nur vom Überfressen kam, sondern einfach das Essen hier erstmal auf den Magen schlägt. Während wir das Casa de Paso und die Projekte (Calle, Trabajadores, Ex-beneficiarios, CEIKU (Kindergarten), Apoyo Pedagógico), die dort untergebracht sind, besucht haben, hat mich dann auch noch kurzerhand mein Kreislauf verlassen, der die ganze Woche nicht wirklich beständig war. Das hat es recht anstrengend gemacht, die Projekte mit viel Energie und Euphorie zu besichtigen, aber nachdem wir mittwochs auch noch Niñas Obrajes und den anderen Kindergarten Betania angeschaut hatten, war mein Lieblingswunschprojekt nach wie vor Casa de Paso.
Mittwochabend haben wir uns alle im Casa de Paso zur ersten reunión mit unseren Freiwilligenbetreuern Johanna und Sebastian eingefunden, damit sich auf die Arbeitsstellen geeinigt werden konnte... was natürlich nicht funktioniert hat. Nach ewigem und nervigem Hin und Her (was ich nicht weiter ausführen will!!) habe ich mich für das Projekt Ex-beneficiari@s entschieden, da mich das blöde Losverfahren (was nicht ganz mit rechten Dingen zuging) aus Casa de Paso geschmissen hatte. Ex-beneficiari@s sind die Leute, die mal in einem der Heime von Arco Iris gelebt haben, als sie noch minderjährig waren, jetzt aber auf eigenen Beinen stehen, Arbeit und teilweise Familie haben. Da die Fundación sie bei ihrem eigenständigen Leben dennoch unterstützen möchte, ist mein Projekt dafür zuständig, ab und zu Besuche bei ihnen zu machen, ihnen beim Sparen zu helfen, Arztbesuche zu begleiten, falls sie oder ihre Kinder krank sind und ihnen das Gefühl zu geben, dass jemand hinter ihnen steht, wenn sich das Leben doch nicht so gut alleine meistern lässt. So in etwa hat zumindest Doris, meine Chefin, ihr Projekt beim Seminar in Achocalla vorgestellt.
Da die Projektfindung teilweise eher nicht so harmonisch vonstatten ging, gab es anschließend ein 'Versöhnungsessen' im Café Arco Iris, wo es Pisco (Limettenschnaps) als Aperitif, leckeren Salat, die besten Spaghetti seit wir hier sind (Nudel sind nämlich Matsch sobald man das Wasser abgießt...) und eine Dulce de Leche (megasüßer Karamel-Brotaufstrich; ist wie Nutella in Deutschland)-'Rolle' als Nachtisch gab. Mal wieder nahm mein Bauch Kugelform an :).

Am nächsten Tag, Donnerstag, sollte also erster Arbeitstag in den Projekten sein.
Ich hab mich richtig darauf gefreut, endlich was Sinnvolles mit meiner Zeit anstellen zu können. Morgens um kurz vor 9 kam ich im Casa de Paso an, wo ja unter anderem auch Ex-beneficiarios untergebracht ist - aber Doris kam nicht an. Erst so gegen 9 Uhr 30 hab ich rennende Stöckelstiefelabsätze im Flur gehört (solange saß ich bei Trabajadores mit Niko, Max und Hannah im warmen Büro) und kaum hatte ich die Tür geöffnet und mich halbwegs vorgestellt, musste ich mit Doris wieder wegrennen, weil es einen caso de emergencia (Notfall) gab. So rasch wie Doris trippeln konnte haben wir uns ein (illegales) Taxi geschnappt und sind zu einer Wohnung, wo schon eine Ambulanz vom Arco Iris Hospital vor der Haustür stand. Als wir ins Haus kamen, hat es von Polizei, Mordkommission und Ärzten nur so gewimmelt. Die Wohnung gehörte Alberto, einem ex-beneficiario, der in der Arco Iris Bäckerei arbeitet. Am Abend zuvor hatte ihn sein Bruder, der auf der Straße lebt, um 'Asyl' gebeten, da er starke Schmerzen hatte und Alberto hat ihn über Nacht bei sich aufgenommen. Morgens, als Alberto von der Nachtschicht zurückkam, fand er seinen Bruder tot im Wohnzimmer.
Als wir ankamen, wurde die Leiche gerade von einer Ärztin begutachtet und untersucht. Kurze Zeit später wurde sie in eine Decke gewickelt und zur Autopsie- und Leichenhalle gebracht. Mein erster Arbeitstag bestand somit aus Warten vor der Halle, Papierkram erledigen, Bestattungsangelegenheiten, nochmals während der Autopsie Warten vor der Leichenhalle, Dokumente bei der Mordkommission abholen usw. Die Autopsie ergab (soweit ich das verstanden habe), dass der Bruder aufgrund von Tuberkulose und Leberschäden/-versagen durch regelmäßigen Alkoholkonsum gestorben ist.

Doris meinte, dass dies kein gewöhnlicher Arbeitstag war und dass der Freitag viel ruhiger werden würde.

Als ich Freitagmorgen wieder kurz vor 9 ins Casa de Paso kam, war es dann leider über 3 Stunden viel zu ruhig. Nach einer Stunde Rumsitzen sagte mir der Pförtner, dass Doris eigentlich gleich kommen müsste, da sie nur kurz in Casa Esperanza ein paar Papiere holen wollte. Sie erschien aber nicht 'gleich' sondern erst um 12 Uhr 15... bis dahin hatte ich mich mit Nichtstun, in der Sonne sitzen, mit dem alten Pförtner, der mein boyfriend sein will, plaudern und in den Projekten Trabajadores und Calle die Zeit abhocken beschäftigt. Sinnvoll...
Die kurze Zeit vorm Mittagessen hat Doris genutzt, mir ein paar Dinge im Büro zu erklären. Der Nachmittag war eigentlich genauso ergiebig wie der Morgen (...). Da um 15 Uhr reunión der Sozialarbeiterinnen in Niñas Obrajes war, haben Doris und ich bis dahin nur die Erfrischungsgetränke und Sandwiches abgeholt. Dauert eben alles seine Zeit, wenn man mit dem Minibus von einem Ort zum anderen schaukeln muss... Die Sitzung war für mich dann insofern völlig uninteressant, da die trabajadoras sociales ausschließlich über ihren Gruppenausflug (wo Voluntäre nicht erwünscht sind) nach Arica in Chile diskutiert haben und darüber, ob sie nicht ihre nächste Versammlung in der Sauna in hübschen Bikinis abhalten sollen.

Zum Glück fand um 16 Uhr mal wieder eine Novena (Marienandacht) statt, auch in Niñas Obrajes. Es wurde zwar viel geredet, was man nur mehr oder weniger gut verstanden hat, und jedes Projekt wurde mit einem Marienbild 'gesegnet', aber das Singen war wie auch schon bei der ersten Novena toll. Vor allem, weil vorne immer ein bis zwei junge Herren sitzen, die Gitarre spielen und mitsingen - was sich richtig schön anhört. Außerdem sind die Lieder lange nicht so eintönig wie in deutschen Gottesdiensten.
Danach gabs wieder Tee und Gebäck und Johanna, Jelena und ich haben uns auf den Weg zum Handyladen in der Stadt gemacht. Endlich ist mein Handy freigeschaltet und ich kann sogar telefonieren :).

Ich habe sicher viel Neues an dem Tag gelernt - aber das mit Abstand Wichtigste war: Gehe niemals ohne 400-Seiten-Buch zur Arbeit!

Gesundheitlich gings mir Donnerstag und Freitag wieder ganz gut, kein Schwindel und keine Übelkeit.


So sehr ich mich aufs Wochenende gefreut hatte, so schnell wars auch wieder vorbei. Für Samstag hatte der Padre 5 von uns Freiwilligen zu einem Ausflug auf die Insel Copacabana im Titicacasee eingeladen. Sinn und Zweck des Ausflugs war es eigentlich, einer Gruppe von Amerikanern - die gerade den Padre und seine Fundación hier in La Paz besuchen, einer (zu deutsch würde man sagen) Sekte entstammen und als potenzielle Geldgeber für die Fundación gelten - ein Stück Bolivien zu zeigen. Mal wieder verspätet und 3 Stunden später kamen wir auf und im Ort Copacabana an. Dort wars sehr viel kälter als in der La Paz, aber die Sonne war trotzdem stärker. Leider war mir mal wieder recht schlecht und der Kreislauf im Keller. Nach dem Mittagessen (die anderen haben gegessen, ich nicht) sind Evelyn, Paul, Lukas, Max und ich auf einem 'Privatboot' anscheinend nur aus Stroh zusammengebunden zu den islas flautantes, die ca. 25 Minuten vor der Inselküste liegen, gefahren. Uns wurde gesagt, dass auf diesen Inseln aus Schilf Leute leben, die einem dann Forellen reichen, wenn man entlangschippert... war aber nicht so, sondern ganz touristisch mit Schilf bestreute Plattformen im Wasser schwimmend mit kleinen Schirmchen aus Stroh mit Stühlen, wo die Forellen aber tatsächlich drumherum geschwommen sind und frisch gefangen wurden. Von dort konnte man noch eine kleine, felsige Insel beklettern und auf den See schauen, was mit der Sonne und allem sehr schön aussah. Das eigentlich Gute war die Bootsfahrt - ich hätte ewig weiter über den See fahren können.

Die Rückfahrt nach La Paz ging wesentlich schneller, da wir uns in den Kleinbus vom Padre gesetzt haben und der mit seinem Fahrstil alle Taxifahrer hier alt aussehen lässt :).

Gestern (Sonntag) haben wir einen Markttag gemacht. Geplant war anfangs nur, auf den riesigen (das ist noch untertrieben) Markt nach El Alto zu gehen, wo man alles alles alles kaufen konnte. Wir haben es längst nicht geschafft, alles anzuschauen, es war einfach viel zu viel auf einmal und und nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Also sind wir wieder nach La Paz (hört sich so weit an, aber die Städte überschneiden sich), haben dort bei Pollos Copacabana (wie McDonald's nur mit Hähnchenhaxen) die besten Pommes in ganz La Paz (oder Bolivien?) zu Mittag gegessen und sind danach noch zu 2 anderen Märkten gefahren. Einer davon war der 'Hexenmarkt', wo man unter anderem die getrockneten Lamaföten in rauen Mengen kaufen kann, die die Bolivianer vorm Hausbau in die Erde graben, damit das Haus und die Menschen Glück haben oder sowas in der Art. Außerdem gab es massenhaft die warmen Alpaka-Pullis, die wir uns gegen die Kälte kaufen wollten. Da aber alles so schrecklich touristisch aufgemacht (schon klar, dass wir selbst Touris sind...) und die Massen an Klamotten total überschwemmend war, haben wir dort vorerst nichts gekauft. Beeindruckend war es trotzdem!


Ich wusste nicht so recht, ob ich mich auf heute, meinen 3. Arbeitstag freuen sollte und hab erstmal mein Buch eingepackt. Doris war aber tatsächlich nur 5 Minuten später im Büro und es kamen ein paar Leute mit verschiedenen Anliegen zu uns. Beispielsweise zwei Männer, deren Sohn/Neffe (ein ex-beneficiario) vor kurzer Zeit wegen Volljährigkeit aus Casa Esperanza entlassen wurde und jetzt aber in Chile wegen Drogenschmuggel im Gefängnis sitzt. Die Männer hätten gerne gehabt, dass der Junge seine Strafe lieber in einem bolivianischen Gefängnis absitzt (was nicht sehr empfehlenswert ist, da die Gefängnisse hier total schrecklich sein sollen). In dem Fall kann jedoch auch die Fundación kaum was ausrichten, da an den chilenischen und bolivianischen Gesetzen wohl nicht viel zu ändern ist. Über Mittag habe ich von Doris eine Liste mit 50 Müttern, die wir unterstützen, in die Hand gedrückt gekriegt - ich sollte alle anrufen und fragen, ob sie und ihre Kinder an der Pilgerfahrt der Fundación nach Copacabana Anfang September teilnehmen wollen. Von den 50 Frauen haben ich 6 erreicht. 3 davon wollten mit, 3 nicht. Die restlichen 44.. keine Ahnung :).
Nachmittags bin ich dann ins Mädchenheim Niñas Obrajes gefahren, weil dort in der Schneiderei und Bäckerei ein paar von unseren ex-beneficiarios arbeiten, die auch mit zur Pilgerfahrt möchten. Ich war dafür zuständig, die 10 Bolis (ca. 1€), die sie pro Person dafür bezahlen, einzusammeln. Damit war ich zum Glück schon um Viertel vor 4 fertig, also hab ich Jelena, die in Niñas Obrajes arbeitet, besucht. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass man sie mal wieder zum stundenlangen Blätter kopieren verdonnert hatte (wie sie schon von den Vortagen berichtet hatte). Das einzig Soziale an ihrer Arbeit war wohl heute meine Gesellschaft... hoffentlich ändert sich das noch.

Um kurz vor 5 sind wir Richtung nach Hause gegangen und haben davor noch Essen gekauft. Und dann erst mal richtig lecker gespeist in unserer kalten Küche (uns war aber warm vom bergauf laufen :)).


So, das wars mal wieder von hier und mir. Bin schon gespannt, was für ne Arbeit mich morgen erwartet. Oder ob Doris mich erwartet :).

Bis bald und eine dicke Umarmung,

eure Lena

1 Kommentar:

  1. Hey meine Traumfrau (:
    oh man, das tut so gut, etwas von dir lesen zu können. ich bin ganz arg froh, dass es dir inzwischen wieder besser geht.. immerhin hast du ja nich mal den heilungs chai-tee dabei! (: ich wünsch dir von ganzem herzen, dass du in den nächsten tagen wieder viele spannende dinge erlebst und viel siehst und dass es dir gaaanz gut geht.
    du fehlst mir unbeschreiblich mein lenaschatzi.
    jeden tag und das wird gar nicht weniger.

    te quiero guapa!
    deine kleine

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